in-side-migrant*innen, Kapitel 2: Karina Villavicencio

Wer bist Du?

Ich bin Karina Villavicencio. Ich komme aus Argentinien und ich wohne in Berlin seit zehn Jahren. Damals habe ich zwölf Jahre in Frankreich gelebt. Seit 22 Jahren lebe ich nicht mehr in Argentinien. Da habe ich Kunst studiert. Ich bin Künstlerin von Beruf. Ich habe Malerei studiert.

Ich mache Performance, weil sie mir erlaubt, immer Kunst zu machen, wo ich bin. Ich brauche nur meinen Körpern und den Körpern von jemandem, Frau, Mann, Kindern, um einen Zeitraum zusammen zu schaffen, wo wir uns treffen. Dieses Performance-Format passtet ganz gut zu meinen Vorstellungen, meinen Bedürfnissen als neue Nomade. Ich habe mich irgendwie zwischen zwei Orten, zwei Heimaten, zwei Städten gefühlt. Dieses Gefühl nirgendwo zu sein, hat bei mir dieses Konzept von Nomadismus geweckt.

Fotogrammen des Dokumentarfilmes “in-side-migrant*innen” (2020)

Fotogrammen des Dokumentarfilmes “in-side-migrant*innen” (2020)

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Erzähl mir bitte über Deine Empowerment-Geschichte im Rahmen Deiner Migrationsgeschichte.

In meiner Empowerment-Geschichte sehe ich einen Prozess. Ich bin Mutter geworden. Als mein Kind sechs Monate alt war, sind wir nach Berlin umgezogen und damals war es Winter. Ich konnte kein Deutsch, ich kannte keine Person. Ich war eine junge Mutter und plötzlich konnte ich meine Aktivität nicht weiter machen, mein normales Leben führen. Dann habe ich angefangen, mich zu fragen: warum ist das so passiert? Da bin ich zum Feminismus gekommen.

In dieser Zeit habe ich mich mit verschiedenen Schwierigkeiten konfrontiert. Warum sollte ich zu Hause bleiben? Warum bin ich irgendwie eine Hausfrau geworden? Das scheint normal zu sein, aber trotzdem habe ich mich gefragt, warum ich das nicht bewusst gewählt habe. Die Situation hat mich so geführt, dass ich zu Hause geblieben bin. Ich musste kochen. Ich habe mich um mein Kind gekümmert. Plötzlich eine Hausfrau. Da hat mein Empowerment-Prozess angefangen.

So habe ich angefangen, mir über diese Idee von Strukturen überleget und wie wir Frauen, Männer auch, in dieser Gesellschaft leben und uns organisieren, je nach dieser Struktur. Auf jeden Fall hat mir viel gebracht, mit Frauen mit Migrationsgeschichte zu arbeiten. Ich arbeite noch in diesem Rahmen mit Frauen mit Migrationsgeschichtem Frauen, die Mütter sind.

Gerade fühle ich mich sehr gut, sehr wohl in Berlin. Ich fühle mich eine Berlinerin. Ich habe Freundinnen, ein Netzwerk aufgebaut. Ich kann arbeiten. Ich spreche Deutsch mit meinem Akzent aber das mag ich sehr.

Ich möchte mehr über Deine Kunstarbeit und Werke wissen.

Es gibt eine Verbindung zwischen Identität, Gedächtnis und meiner Kunstarbeit. Ich arbeite mit meiner Identität, mit der Suche nach Identität und diesem Konzept. Auch wenn ich denke, dass Identität kein fixes Konzept ist. Ich finde, was wir sind, was wir machen, das hängt stark von dem Ort, wo wir leben und den Leuten, die wir treffen ab. In diesem Sinne bin ich eine Person mit einer Biografie. Ich komme da, wo ich bin, mit meiner Geschichte. Diese Geschichte nimmt in meinem Körper Platz und ich teile diese Geschichte als Person, die mit anderen Personen agiert. Dann verkörpert sich diese Geschichte und gibt die Möglichkeit, einen realen Austausch zu machen. Deshalb finde ich meine Biografie und diese Geschichten, die ich zum teilen habe, hat genau mit meinen Erinnerungen und mit meinen vergangenen Erfahrungen und Erlebnissen zu tun. Für mich passt alles zusammen. Man ist Subjekte, die verortet sind, die eine Geschichte haben und die in einem Kontext mit anderen Personen agieren. Mit dieser Mischung schafft man, alles zusammen zu verwirklichen.

Ich spreche aus einer Gender und Migration Perspektive. Ich lasse mich von vielen dekolonialen Theorien inspirieren. Das hat mir viel geholfen, um meine Situation als Frau mit Migrationsgeschichte, als Mutter, als Künstlerin zu verstehen. Dieser Art, meine Position zu nennen und zu verstehen, habe ich in den letzten Jahren entwickelt. Es ist nicht einfach so gekommen. Meine Geschichte als Migrantin in Berlin hat mir viel geholfen, genauso zu verstehen, von woher ich spreche.

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Worum geht es das Projekt “Your Story Piece”?

“Your Story Piece” ist ein poetisches und politisches Projekt. Ich bin sehr froh, das Projekt in Treptow-Köpenick machen zu können. Es geht darum, einen Zeitraum zu schaffen, wo Frauen mit Flucht und Migrationsgeschichte ihre Erinnerungen bearbeiten und teilen können. Diese Idee stammt aus meinen eigenen Erfahrungen. Ich habe gemerkt, wie wir Migrantinnen und ich persönlich auch zwischen zwei Heimaten sind. Unsere Geschichte beeinflusst immer unser aktuelles Leben. Unsere Vergangenheit bleibt bei uns, unsere Erinnerungen bleiben bei uns. Sie wirken mich jetzt und bilden auch unsere Zukunft. Deshalb wollte ich einen Raum zu gestalten, damit wir Frauen sprechen könnten.

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“in-side-migrant*innen” ist ein Projekt in Kooperation mit Mamis en Movimiento e. V. und wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms Demokratie Leben! gefördert.

Die Veröffentlichungen stellen keine Meinungsäußerung des BMFSFJ bzw. des BAFZA dar. Für inhaltliche Aussagen tragen die Autorinnen die Verantwortung.

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